Freitag, 28. Dezember 2012

Kaufen für die Müllhalde?


Das Centenniel Light ist die älteste, funktionstüchtige Glühbirne der Welt. Sie ist seit den 1890er Jahren im Einsatz, und sie ist zum erhobenen, mahnenden Zeigefinger unserer Zeit geworden.
Eine konventionelle, moderne Glühlampe erreicht hingegen nur mehr eine Lebensdauer von durchschnittlich 1000 Einsatzstunden. Moderne Glühlampen müssen kaputt werden - naja, sie müßten eigentlich nicht so rasch kaputt werden, aber im Sinne der Hersteller weisen sie heutzutage nur mehr eine relativ kurze Lebensdauer auf. So müssen die Konsumenten öfter Glühbirnen nachkaufen. 
Ich habe übrigens zuhause eine Waschmaschine, die mit ihren 16 Jahren noch in einem Topzustand ist.
Konsumentenschützer kritisieren in den letzten paar Jahren immer häufiger, daß beispielsweise die Lebensdauer von Waschmaschinen immer kürzer wird - viele machen schon nach 5 Jahren schlapp, im Schnitt sind Waschmaschinen in regelmäßigem Betrieb heutzutage nach 6-10 Jahren kaputt. Auch langjährigen Waschmaschinen-Mechanikern fällt diese Tatsache immer öfter auf.

Produzenten verschiedenster Warengruppen lassen heute billigst produzieren, aber es werden sogar auch ganz bewußt Schwachstellen in Produkte eingebaut, damit die Lebensdauer der Produkte geringer ist und Konsumenten öfter neue Güter erwerben müssen. Dies bezeichnet man im allgemeinen als geplante Obsoleszenz.
Gemeint ist mit ihm heute ein Teil einer Produktstrategie, bei der schon während des Herstellungsprozesses bewusst Schwachstellen in das betreffende Produkt eingebaut, Lösungen mit absehbarer Haltbarkeit und/oder Rohstoffe von minderer Qualität eingesetzt werden, die dazu führen, dass das Produkt schneller schad- oder fehlerhaft wird und nicht mehr in vollem Umfang genutzt werden kann.
Ein gern als Beispiel geplanter Obsoleszenz zitierter Fall ist der des 1924 gegründeten Phoebuskartells, in dem die nominale Brenndauer von Glühlampen international auf nicht mehr als 1000 Stunden begrenzt wurde.
Klar, wenn die Leute nonstop in den nächsten Elektrofachmarkt laufen um sich ein neues Produkt zu kaufen, dann kurbelt das den Umsatz an, bringt Steuereinnahmen und sichert Arbeitsplätze im Handel.
Allerdings stehen demgegenüber nicht zu vernachlässigende Nebenwirkungen:

- Firmen verlagern die Produktion ins Billiglohnländer, wo Menschen teilweise um einen Hungerlohn arbeiten, d.h. die Arbeitsplätze in der Produktion gehen uns hierzulande verloren. Die Güter müssen nämlich erschwinglich bleiben, weil jeder sollte ja in der Lage sein nach Ablauf der Lebensspanne eines Gerätes sofort ein neues Modell zu kaufen. Um billig zu produzieren, braucht man auch billige Arbeitskräfte und Arbeitnehmer, die wenig Rechte genießen und nicht aufmucken.

- Einheimische Werkstätten müssen schließen, weil neue Geräte so günstig verkauft werden, daß eine Reparatur finanziell nicht lohnen würde. Und manche Geräte sind auch als Einwegprodukte konzipiert, sodaß eine Reparatur schwer möglich ist, weil das Innenleben so unzugänglich verbaut wurde. Insofern gehen uns auch die Arbeitsplätze in den Reparaturwerkstätten verloren - ganze Handwerkszweige könnten dadurch wegfallen.

- Zur Produktion neuer Güter braucht man auch Ressourcen...zumeist sind dies keine erneuerbaren Ausgangsmaterialien, gerade in der Elektronikbranche. Hier benötigt man spezielle Metalle (z.B. Kupfer, Platin...), seltene Erden , Erdölprodukte (Kunststoff),... Diese Rohstoffe werden ebenfalls in Billiglohnländern bzw. in der dritten Welt gefördert - nicht selten wird Krieg um diese Rohstoffe geführt. Die Menschen arbeiten oft unter absolut gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen (giftige Chemikalien, veraltete Bergbaumethoden,...), und vielfach verursacht bereits die Förderung dieser Rohstoffe erhebliche Umweltprobleme.

- Die kaputten Produkte werden nicht überall auf der Welt fachgerecht entsorgt. Und selbst, wenn wir hier in Europa brav Elektronikschrott trennen und dem Recycling zuführen, so wird dieser dann mitunter in arme Länder zur Endlagerung verbracht. Dieses Übermass an weggeworfenen Waren wird künftig ein ernstes Problem sein - bereits jetzt ist der Ozean voller Plastik, wie der Film "Plastic Planet" eindrucksvoll gezeigt hat. Wir können uns diese Form des Konsums und des Wegwerfens einfach umwelttechnisch nicht mehr leisten jetzt im 21. Jahrhundert.

Ich habe in den letzten Jahren den Eindruck bekommen, daß unsere Politik der Wirtschaft und dem Handel sehr entgegen gekommen ist um Arbeitsplätze und Steuereinnahmen zu sichern. Ich finde aber, daß es an der Zeit ist, daß die Politik auf internationaler und nationaler Ebene Stellung bezieht gegen Produzenten, die bewußt Schwachstellen in Waren einbauen und auf diese Weise zur Ausbeutung von Menschen in Billiglohnländern, sowie zur Ausbeutung von Rohstoffen beitragen. Was nützt es uns brav Müll zu trennen, wenn wir der Flut an Wegwerfprodukten nicht mehr Herr werden?

82% der Piraten Deutschlands sind für ein Verbot der geplanten Obsoleszenz, so sagt es die Abstimmung zum  Liquid-feedback-Antrag #1300
Auch die Tiroler Piraten haben das Thema bereits diskutiert.
Die Piratenpartei Österreichs hat vor 10 Tagen den Programmantrag #548 zur Diskussion gestellt - auch hier fordern die Piraten mehrheitlich eine Gewährleistung über die gesamte Nutzungsdauer eines Produktes:

Forderung:
Die Piratenpartei nimmt an geeigneter Stelle in das Parteiprogramm folgenden Forderung auf:
Der gewerbliche In-Verkehr-Bringer eines Konsumartikels in Österreich muss bei einem Konsumartikel angeben, wie lange dieser nutzbar ist ab Kauf (=Nutzbarkeitsdauer). Für diesem Zeitraum muss der Hersteller einen kostenlosen Reparaturdienst anbieten.
Wartungen, die während der Nutzungsdauer auf Grund von Abnutzung notwendig sind, sind explizit anzugeben und zu einem Fixpreis, der beim Verkauf anzugeben ist, anzubieten und durchzuführen.
Konsumartikel, die ihre angegebene Nutzungsdauer überschritten haben, sind vom Hersteller kostenfrei zurückzunehmen.
In-Verkehr-Bringer von Konsumartikeln müssen eine Versicherung abschließen, die die Verfügbarkeit jener Leistungen während der Nutzungsdauer gewährleisten, zu deren Erbringung sie verpflichtet sind.

Effekt:
Hersteller von Wegwerfprodukten müssen ihre Produkte mit der von ihnen einkalkulierten kurzen Nutzungsdauer kennzeichnen (z.B. modische Kleidung). Eine Angabe einer langen Nutzungsdauer wäre für den Hersteller zu kostspielig.
Hersteller von haltbaren langlebigen Produkten können eine lange Nutzungsdauer gewährleisten. Damit wird transparent, bei welchen Produkten es sich um Qualitätsprodukte handelt.
Hersteller von langlebigen Produkten investieren in die Zuverlässigkeit ihrer Produkte, um die Kosten für Reparaturen während der Nutzungsdauer zu minimieren.
Das Ziel der Hersteller wird es zukünftig sein, sehr zuverlässige Produkte zu produzieren, die während der von ihnen als für das Produkt zweckmäßig Nutzungsdauer keine Reparaturkosten verursachen.
Konsumenten können jene Produkte erkennen und kaufen, die ihrem Bedürfnis nach Nutzungsdauer entsprechen.
So wird die Nutzungsdauer ein Differenzierungsmerkmal der Produkte (der Einjahresdrucker, der Dreijahresdrucker, der 5 Jahreslaptop)
Diskussion zu dem Thema: https://forum.piratenpartei-wien.at/viewtopic.php?f=4&t=5127#p4479
Autorin: Irene Labner
Linktipps:
Ending the depression through Planned Obsolescence (London, 1932)
Standardartikel "Geplante Obsoleszenz"
Facebook-Seite gegen geplante Obsoleszenz


4 Kommentare:

  1. Euch Tiroler Piraten wünschen ich für das Neue Jahr viel Erfolg, viel Gesundheit und auch eine Portion Glück!

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  2. Danke vielmals! Wir wünschen dir auch ein frohes neues Jahr und gutes Gelingen mit deinem Blog.

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  3. Das ist eine eher bürokratische und formalistische Idee und geht davon aus, unsere Probleme durch Vorschriften lösen zu können. Außerdem macht es die Produkte teuer (kostenloser Reperaturdienst anbeiten müssen . . .) ohne sie zu verbessern. Viel effektiver ist es, einfach BESSERE Produkte zu entwickeln, die auch teurer sein können, das wird vom Konsumenten akzeptiert, falls der Vorteil gut vermittelbar ist. Anfangen würde ich mit einfach und selbst reparablen Produkten, denn eine gewerbliche Reparatur zu unseren Preisen ist nicht realistsich und führt erst recht wieder zum Wegwerfen.

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  4. ...und wer sollte freiwillig bessere Produkte entwickeln? Hm? Selber reparieren? Das halte ich auch nicht für eine Lösung.

    Ich finde den Vorschlag gar nicht so schlecht. Hersteller müssten durch die Bank gezwungen werden, länger haltbare Produkte zu produzieren. Zurzeit ist es doch so, dass knallhart mit der Soll-Bruch-Stelle kalkuliert wird. Viele Produkte halten nicht mal 6 Monate. Meiner Erfahrung nach. Ich habe kaum noch Lust, diesen Schrott von heute zu kaufen und sehe mich ganz oft nach gebrauchten Artikeln um. Je älter ein Produkt ist, desto länger wird es vermutlich halten. Traurig aber wahr.

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